DER WANDEL DER BRAUWIRTSCHAFT
"Der Schnaps, das ist der Feind!" (Karl Kautsky, 1890)
Im 19. Jahrhundert war es durchaus üblich und von Unternehmern gewünscht, dass während der langen Arbeitstage Schnaps und Branntwein von der Belegschaft getrunken wurde. Einerseits verdienten Unternehmer und Produzenten gut daran. Andererseits half den Arbeiter*innen, die häufig schwerste körperliche Arbeit verrichten mussten, die enthemmende Wirkung des Alkohols ihre 15-stündigen Arbeitstage zu überstehen. Jedoch oft mit gravierenden Folgen: Wer zu viel trank riskierte nicht nur die Entlassung, weil er Tätigkeiten nicht mehr korrekt ausführen konnte, sondern auch in schwerste Arbeitsunfälle verwickelt zu werden. Die schnell einsetzende toxische Wirkung von hochprozentigem Alkohol wurde vielfach unterschätzt.
Mit der beginnenden industriellen Bierproduktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Situation. Fortan wurde in Fabriken häufig Bier konsumiert. Der geringere Alkoholgehalt des Bieres sorgte dafür, dass Unfallzahlen zunächst zurückgingen. Erst um 1900 verboten neue Unfallverhütungsvorschriften Alkohol am Arbeitsplatz dann ganz.
Parallel nahm mit der Industrialisierung und dem Anwachsen der Städte auch die Zahl der Kneipen zu. Zu dieser Zeit entstanden vor allem Arbeiterkneipen, da Arbeiter*innen (es waren zu der Zeit vor allem Männer) nach Orten zur feierabendlichen Entspannung und Vergemeinschaftung suchten. Die Arbeiterkneipen wurden aber auch zu einem wichtigen Schutzraum. Hier war man unter sich und konnte mit seinesgleichen auch politisch diskutieren. In der Folge entstanden organisierte Partei- und Gewerkschaftskneipen die zu zentralen Orten der frühen Arbeiter*innenbewegung wurden und in denen zentrale politische Forderungen entwickelt wurden.
Seither hat die Brauereiwirtschaft wie auch die Kneipenkultur in Deutschland einen starken Wandel erlebt. Im Seminar möchten wir diese Veränderungen in Theorie und Praxis reflektieren: Wir betrachten sowohl die moderne, industrielle Bierproduktion als auch das traditionelle Brauhandwerk, erlernen selber Bier zu brauen und widmen uns den aktuellen Trends der nachhaltigen Bierproduktion und des Micro-Brewing. Darüber hinaus erörtern wir die kulturgeschichtliche Bedeutung von Bier und Kneipe in der Entwicklung der Arbeiterorganisationen und diskutieren mit Arbeitnehmervertretungen in Brauereien die aktuellen Herausforderungen in der Brauereiwirtschaft. Nicht zuletzt richten wir den Blick auf die gesundheitlichen Gefahren des Alkoholkonsums auf der individuellen Ebene sowie deren volkswirtschaftliche Bedeutung.
Die Teilnehmenden erwerben Kenntnisse und Fähigkeiten zur theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit der kulturgeschichtlichen Bedeutung des Bieres, des Brauereihandwerks und der industriellen Bierproduktion. Der Wandel und die aktuellen Tendenzen in der Brauereiwirtschaft, die sich in der jüngeren Vergangenheit vollzogen haben, werden ebenso erörtert und diskutiert wie der Stellenwert von Bier und Kneipen als soziale Orte für die Abreiter*innenbewegung in Historie und Gegenwart. Außerdem werden den Teilnehmenden die Risiken und Gefahren von übermäßigem Alkoholkonsum vermittelt und die volkswirtschaftlichen Schäden, die dieser verursacht, erläutert.
Themen
- Vom Brauhandwerk zur industriellen Bierproduktion: Der Wandel der Brauereiwirtschaft in Theorie und Praxis.
- Vom Schnaps zum Bier: Arbeitsalltag in frühen kapitalistischen Betrieben
- Geschichte und Bedeutung der Kneipenkultur in Deutschland und deren Stellenwert für die Arbeiter*innenbewegung
- Die Gesundheitsgefahren durch übermäßigen Alkoholkonsum und die volkswirtschaftlichen Schäden, die dieser verursacht
Wir freuen uns auf Dich!