9. WERKSTATTRAT
Die Wahrnehmung des Amts als Werkstattrat erfordert umfangreiche Kenntnisse und politisches Gespür von seinen Trägern. Das Rüstzeug hierfür kann man sich auf speziellen Seminaren - etwa denen des DGB-Bildungswerks NRW e.V. - verschaffen. Die Werkstattmitwirkungsverordnung gewährt dafür sowohl das Recht auf bezahlte Freistellung als auch einen Anspruch auf Übernahme der Kosten.
Werkstatträte haben nach Werkstattmitwirkungsverordnung einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, sofern diese Wissen vermitteln, das für die Arbeit als Werkstattrat benötigt wird. Die maßgebliche Vorschrift in der Werkstattmitwirkungsverordnung ist § 37. Danach kann jedes Werkstattratsmitglied ohne Minderung des Entgelts während der Arbeitszeit an Schulungsveranstaltungen teilnehmen, sofern diese Kenntnisse vermitteln, die für seine Arbeit erforderlich sind. Sofern die Erforderlichkeit besteht, ist der Anspruch unbegrenzt. Der Hinweis in der Vorschrift auf 10 Tage Schulungsteilnahme pro Amtszeit und Mitglied bzw. 20 Tage in der ersten Amtszeit ist irreführend, weil er an eine Begrenzung erinnert. Die ist jedoch nicht gemeint, da diese zeitlich definierten Ansprüche "unbeschadet" der generellen Regelung in Satz 1 der Vorschrift bestehen.
Die Teilnahme an erforderlichen Schulungsveranstaltungen ist in § 37 Abs. 4 WMVO geregelt. Der Werkstattrat ist dabei der "Herr des Verfahrens". Er und nicht das einzelne Mitglied entscheidet darüber, wer wann zu welcher Schulung fahren soll. Dabei nimmt er zwar auf die Belange der Betroffenen Rücksicht - es hätte auch wenig Sinn, jemanden für fünf Tage zu einer Schulung zu entsenden, der dies überhaupt nicht will - ist aber nicht an ihre Wünsche gebunden. Die Schulungsteilnahme ist Teil der Amtsführung, die zu einer Verbesserung der Arbeit im Werkstattrat führen soll und kein Recht, das durch langjährige Amtsführung erworben wird oder gar wächst.
Der Werkstattrat entscheidet ohne Einflussnahme von außen darüber, zu welchen Veranstaltungen und damit auch zu welchen Veranstaltern er seine Mitglieder entsendet. Er hat in beiden Fragen einen Beurteilungsspielraum, muss also nicht immer die billigsten Angebote wählen. So hat es das Bundesarbeitsgericht zu der praktisch identischen Regelung im Betriebsverfassungsgesetz entschieden (BAG vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84).
Als Veranstalter in Frage kommen sowohl gewerkschaftliche wie auch nichtgewerkschaftliche Anbieter. Weder die Werkstattleitung noch andere können bei der Entscheidung zwischen beiden Vorgaben machen. Allerdings genießen die gewerkschaftlichen Angebote den Vorzug, dass ihnen die Rechtsprechung von vornherein zubilligt, die Gewähr für eine in jeder Hinsicht ordnungsgemäße Durchführung zu bieten (so für das Personalvertretungsrecht: BVerwG 27.4.1979 - 6 P 45.78 BVerwGE 58, 54).
Der Werkstattrat hat es also im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung hier einfacher, weil nicht er nachweisen muss, dass auf der Schulung tatsächlich in geeigneter Form und der angekündigte Stoff mit hinreichender Qualität vermittelt wird oder wurde. Zweifelt die Werkstattleitung dies in einer gerichtlichen Auseinandersetzung an, muss sie zumindest plausibel machen, warum diese Frage im konkreten Fall genauer untersucht werden soll.
Alle gesetzlichen Anforderungen an die Schulungsteilnahme gelten unabhängig von der Größe der Werkstatt. Ab 200 Wahlberechtigten sind der oder die Vorsitzende des Werkstattrats freigestellt. Auch dann muss aber der Werkstattrat über die Entsendung zur Schulung entscheiden und diese erforderlich sein. Die Freistellung soll die Erfüllung der Aufgaben als Werkstattrat ermöglichen, nicht aber die Teilnahme an nicht erforderlichen Seminaren (zum BetrVG: BAG vom 21.07.1978 - 6 AZR 561/75).
Die Freistellung für eine Schulungsteilnahme setzt einen Beschluss des Werkstattrats voraus. Ohne diesen ist die Teilnahme an der Veranstaltung ausgeschlossen. Die Formalien der Beschlussfassung - insbesondere die ordnungsgemäße Ladung mit Tagesordnung und die Beschlussfähigkeit im Gremium - können hier als bekannt vorausgesetzt werden. Die Tagesordnung muss auch präzise den Tagesordnungspunkt "Entsendung zu Schulungsmaßnahmen" und möglichst auch eine Benennung der in Aussicht genommenen Seminare enthalten. Die Behandlung dieses Themas unter dem Punkt "Verschiedenes" wird von der Rechtsprechung nicht akzeptiert (zum BetrVG: BAG vom 28.10.1992 - 7 ABR 14/92).
Gibt es in diesem Bereich Mängel, wirken die sich mehrfach aus: Die Werkstatt muss nichts bezahlen - weder das Entgelt für die Zeit, noch die Seminarkosten bei erforderlichen Veranstaltungen - und die Abwesenheit ist streng genommen ein Verstoß gegen die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis. Allerdings ist Letzteres so lange ungefährlich, wie die Beschlussfassung nicht offenkundig unwirksam ist. Wer also am Vorabend mit der Vorsitzenden des Werkstattrats aushandelt, dass er am nächsten Tag zu einem Seminar fährt, muss wissen, dass er das nicht darf. Praktisch alle anderen können sich darauf verlassen, dass es keine groben Schnitzer in der Sitzung gegeben hat.
Der Beschluss muss allerdings vor dem Seminar gefasst werden, eine Nachholung ist nach der Rechtsprechung des BAG nicht zulässig, kann also einen Fehler nicht heilen (zum BetrVG: BAG vom 8.3.00 - 7 ABR 11/98).
Der Beschluss über die Teilnahme - oder besser: die beschlossene Teilnahme selber - muss der Werkstatt mitgeteilt werden. Einer Erlaubnis oder gar einer Freistellungserklärung der Leitung bedarf es dann aber nicht, um zu der Veranstaltung fahren zu können. Die hat nur geringe Einflussmöglichkeiten, wenn der Werkstattrat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für den Schulungsbesuch entschieden hat. Er entscheidet selber, wer für Schulungen freigestellt wird und wer nicht. Dabei trägt er allerdings auch das Risiko, dass er hierbei Fehler macht.
Der Werkstattrat muss bei Festlegung der Schulungsteilnahme über die Freistellung die betrieblichen Belange berücksichtigen, auch wenn dies nicht ausdrücklich in der Werkstattmitwirkungsverordnung verlangt wird. Er hat hierbei aber einen Beurteilungsspielraum (BAG vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84).
Allerdings werden solche Belange nur in den seltensten Fällen wirklich die Teilnahme verhindern können. Schließlich muss die Werkstatt personell so eingerichtet werden, dass die Arbeit eines Werkstattrats möglich ist. Die Leitung kann also sowieso nicht immer mit der Anwesenheit von Mandatsträgern rechnen. Auch scheint eine Werkstatt kaum überlebensfähig, die mit langfristig angekündigten Abwesenheiten nicht klar kommt. Schließlich muss sie auch krankheitsbedingte Ausfälle kompensieren können, die in der Regel nicht vorhersehbar sind.
Dreh- und Angelpunkt ist die Erforderlichkeit des Seminarbesuchs und damit der Freistellung. Diese Erforderlichkeit hat drei Elemente: Das erste ist der Inhalt der Veranstaltung, das zweite der Anlass der Schulungsteilnahme und das letzte eine persönliche Komponente.
Ob alle Elemente bei einer Veranstaltung gegeben sind, entscheidet zunächst der Werkstattrat. Er hat auch hier einen gewissen Beurteilungsspielraum. Bei dessen Ausfüllung muss er sich, so die Rechtsprechung des BAG zur Arbeit des Betriebsrats, auf den Standpunkt eines mit den Verhältnissen vertrauten vernünftigen Dritten stellen und nicht nur nach subjektiven Wünschen über die Schulungsteilnahme entscheiden (BAG vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84).
Wer ein vernünftiger Dritter ist? Im Zweifel der Richter oder die Richterin, die später einmal bei einem Streit mit der Sache befasst sind. Deren Anforderungen wird der Werkstattrat am ehesten gerecht, wenn er zu allen drei Aspekten der Erforderlichkeit plausibel darstellen kann, warum er im konkreten Fall deren Vorliegen bejaht hat. Dabei kann er sich auch an der gängigen Rechtsprechung zu diesem Thema orientieren, dies aber mit Vorsicht: Hier gibt es viele widersprüchliche Entscheidungen, die vor allem darauf zurückzuführen sind, dass sich die Erforderlichkeit von Fall zu Fall anders darstellt. Was für den einen Werkstattrat erforderlich ist, muss es für den anderen noch lange nicht sein. Es kommt immer darauf an, ob die Kenntnisse in der konkreten Einrichtung benötigt werden. Dafür unterscheidet man zwischen "Grundlagenschulungen" und "Spezialschulungen".
Auf keinen Fall allerdings ist die Werkstattleitung die "vernünftige" Instanz zur Beurteilung der Erforderlichkeit. Auch sie ist interessengebunden. Ihre Ablehnung der Schulungsteilnahme ist daher allenfalls Ausgangspunkt für Diskussionen oder Gerichtsverfahren, aber nicht "kraft Amtes" das letzte Wort.
Quintessenz: Es gibt keine objektiv feststehenden Kriterien für die Erforderlichkeit, wichtig ist die an den folgenden Elementen orientierte Argumentation des Werkstattrats.
Der Inhalt der Schulungsmaßnahme muss in erkennbarer Weise mit der Tätigkeit des Werkstattrats nach der Werkstattmitwirkungsverordnung in Verbindung stehen und hierfür mehr als nur irgendwie nützlich oder hilfreich sein. Eine solche Erforderlichkeit kann grundsätzlich immer angenommen werden, wenn Inhalte der Werkstattmitwirkungsverordnung oder Grundkenntnisse des Arbeitsrechts vermittelt werden. Das sind vor allem die in § 4 Abs. 1 Werkstattmitwirkungsverordnung genannten Themen, also die besondere Rechtsstellung der Werkstattbeschäftigten, Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Beschäftigten, Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsrecht sowie Arbeitsschutz. Hierbei handelt es sich um sogenanntes Grundlagenwissen, dessen Kenntnis für alle Mitglieder des Werkstattrats erforderlich ist (zum BetrVG: BAG vom 15.05.1986 - 6 ABR 74/83; BAG vom 21.11.1978 - 6 ABR 10/77; BAG vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84). Daneben gibt es Schulungen zu spezielleren Themen, wie etwa Entgeltgestaltung, Suchtprävention oder Fragen der Verpflegung, bei denen die Erforderlichkeit nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Dies ist der Sinn der Unterscheidung zwischen Grundlagen- und Spezialschulungen: Erstere tragen die Erforderlichkeit sozusagen in sich, der Werkstattrat muss sie im Streitfall nicht gesondert belegen. Das Teilnahmerecht wird hier allenfalls auf der Ebene der persönlichen Erforderlichkeit eingeschränkt. Bei Spezialschulungen dagegen muss der Werkstattrat sowohl hinsichtlich des Anlasses als auch der persönlichen Erforderlichkeit weitergehende Gedanken machen.
Ausgesondert werden allerdings von vornherein Schulungen, deren Inhalte unter keinem Gesichtspunkt erforderlich sein können. So ist es sicherlich interessant für die Auseinandersetzung im Werkstattrat oder mit den KollegInnen und spannend bei einem Konflikt mit der Werkstattleitung, wenn das Mitglied des Werkstattrats über die Hintergründe der unterschiedlichen Interessenvertretungsgremien in privater Wirtschaft, Kirche, Werkstätten und im öffentlichen Dienst informiert ist. Es mag auch hilfreich sein, die Entwicklung von den ersten Betriebsvertretungen im 19. Jahrhundert bis zum modern verfassten Arbeitnehmerschutz nachvollziehen zu können. Aber: Die Arbeit im Werkstattrat lässt sich auch ohne die Kenntnisse machen.
Ähnlich verhält es sich mit Zusammenkünften von Mitgliedern verschiedener Werkstatträte ohne klare inhaltliche Ausrichtung, die allgemein dem Erfahrungs- und Meinungsaustausch dienen sollen. Auch die sind vielleicht nützlich, unter Umständen werden dort letztlich sogar Themen behandelt, die als erforderlich gelten können - dennoch sind sie es nicht, weil sich dies zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Werkstattrat noch gar nicht absehen ließ.
Einer Veranstaltung selber ist nicht anzusehen, ob sie in die Kategorie "erforderlich" fällt oder nicht. So kann etwa die Teilnahme an einem Sprachkurs erforderlich sein, wenn auf andere Weise die Kommunikation innerhalb des Werkstattrats oder mit einem erheblichen Teil der Belegschaft nicht mehr sicherzustellen ist. Hier spielt also der Anlass, die Situation im Betrieb eine ausschlaggebende Rolle.
Zumindest bei den Spezialschulungen verlangt die Rechtsprechung eine Veranlassung durch die aktuelle Situation in der Werkstatt. (BAG vom 09.10.1973 - 1 ABR 6/73) Die Verwertung der gewonnenen Kenntnisse muss also zeitnah möglich sein. Das werden in der Regel Veranstaltungen sein, die sich mit Themen wie etwa der betrieblichen Entgeltgestaltung, dem der Mitwirkung bei technischen Überwachungseinrichtungen oder Gestaltung der Arbeitsplätze befassen. Es kann sich aber auch mal um einen Computerkurs für ein Mitglied des Werkstattrats handeln (zum BetrVG: BAG vom 19.07.1995 - 7 ABR 49/94).
Ein aktuelles Beispiel zeigt, dass die Identifikation der erforderlichen Veranstaltungen eigentlich nicht schwer ist: In der Werkstatt sollen die Arbeitszeiten bis in den späten Abend ausgedehnt werden. Das Thema unterliegt insgesamt der Mitwirkung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Werkstattmitwirkungsverordnung. Die Teilnahme ist also erforderlich, weil der Werkstattrat die Rechte andernfalls nur unvollkommen ausüben kann.
Der aktuelle Anlass für die Schulungsteilnahme kann auch vom Werkstattrat selber ausgehen. Er hat gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Werkstattmitwirkungsverordnung auch die Aufgabe, von sich aus bei der Werkstattleitung Vorschläge zur Verbesserung der Verhältnisse zu machen. Will er in diesem Rahmen etwa eine Initiative zur besseren Gestaltung der Arbeitsplätze ergreifen, schafft er damit die Erforderlichkeit für eine entsprechende Schulungsteilnahme.
Keine Hürde ist der konkrete Anlass in der Regel für die oben beschriebenen Grundlagenschulungen. Hier geht die Rechtsprechung zum BetrVG davon aus, dass diese für jedes Mitglied des Betriebsrats erforderlich sind. Nichts anderes gilt auch in der Werkstatt. Jedes Mitglied führt seine Aufgaben in eigener Verantwortung aus und muss dafür auch das erforderliche Wissen haben (so z.B.: BAG vom 15.05.1986 - 6 ABR 74/83). Schulungen über die Grundlagen in diesen Bereichen sind daher für alle Mitglieder des Werkstattrats erforderlich - wenn das Wissen nicht bei Ihnen persönlich bereits vorhanden ist.
Anders ausgedrückt: Der konkrete betriebliche Anlass ist bei den Grundlagenschulungen die Mitgliedschaft im Werkstattrat. Er kann jedoch dann entfallen, wenn die Maßnahme so kurz vor dem Ende der Amtsperiode stattfindet, dass eine Verwertung des erworbenen Wissens zumindest fraglich ist (zum BetrVG: BAG vom 07.06.1989 - 7 ABR 26/88). Hier gibt es allerdings keine objektive Größenordnung. Auch einen Monat vor den Neuwahlen ist die Teilnahme wiederum erforderlich, wenn der Werkstattrat konkret belegen kann, warum das betreffende Mitglied die Kenntnisse bis zu diesem Zeitpunkt benötigt. Hier muss also der Anlass entgegen den sonstigen Gepflogenheiten bei den Grundlagenschulungen belegt werden. Kein Anlass ist allerdings die Spekulation auf die Verwertung der Kenntnisse in einer kommenden Amtsperiode: Schließlich stellt sich mit jeder Wahl die Frage neu, ob das Amt denn überhaupt wieder eingenommen wird (zum BetrVG: BAG vom 7.6.1989 - 7 ABR 26/88). Das gilt auch bei einem sicheren Listenplatz, schließlich kann jede Kandidatin die Wahl ablehnen.
Problematisch ist die Teilnahme an Veranstaltungen, die die innere Organisation des Werkstattrates betreffen. An vorderster Stelle steht hier das Thema "Rhetorik". Hierzu hat sich das BAG bezüglich der Betriebsratsarbeit bereits sehr früh positioniert und diese Schulung für grundsätzlich nicht erforderlich gehalten (BAG vom 20.10.1993 - 7 ABR 14/93). Inzwischen ist es aber deutlich offener in dieser Frage geworden und hält die Erforderlichkeit eines Seminars "Managementtechniken für Betriebs- und Personalräte" jedenfalls nicht mehr grundsätzlich für ausgeschlossen (BAG vom 14.09.1994 - 7 ABR 27/94). Das wird sich auch auf die Arbeit des Werkstattrats übertragen lassen. Wie sich ein Gericht hier entscheidet, hängt immer auch davon ab, wie plausibel das Gremium den aus seiner Sicht bestehenden betrieblichen Bedarf machen kann. Mit Ausnahme der Grundlagenschulungen ist dieser schließlich der einzige Maßstab für die Erforderlichkeit einer Schulungsteilnahme.
Nur wenn das zu entsendende Mitglied die Schulung benötigt, ist die Erforderlichkeit gegeben (BAG vom 09.10.1973 - 1 ABR 6/73). Es darf also bislang nicht über die Kenntnisse verfügen, die auf der Veranstaltung vermittelt werden und muss mit entsprechenden Themen auch im Rahmen seiner Arbeit im Gremium befasst sein. Spezielles Wissen etwa über die gesetzlichen Anforderungen an Arbeitsstätten oder gefährliche Arbeitsstoffe brauchen diejenigen, die für derartige Aufgaben nach der internen Arbeitsverteilung im Werkstattrat auch zuständig sind.
Erst wenn Mitglieder bereits über langjährige Erfahrung in der Arbeit als Werkstattrat verfügen, werden diese in aller Regel über das Wissen verfügen, das auf einer Grundlagenschulung vermittelt wird. Da diese Einrichtung jedoch noch nicht so lange existiert, kommt diese Einschränkung, die das BAG bei Betriebsratsmitgliedern macht, vorerst nicht zum Zuge (BAG vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84).
Eine andere Frage ist es, ob Werkstattratsmitglieder, die bereits über das Grundlagenwissen verfügen, an einer weiterführenden oder vertiefenden Veranstaltung teilnehmen können. Dann besteht selbst bei einer vorangegangenen Teilnahme an einer Grundlagenschulung kein Anlass, die Erforderlichkeit grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Hier richtet sich das Recht auf Freistellung wiederum nach den konkreten Verhältnissen, also der Erforderlichkeit im Einzelfall.
Häufig wird es so sein, dass von mehreren Themen auf einer Veranstaltung die einen als erforderlich anzusehen sind, andere dagegen nicht. Hier kann die gesamte Veranstaltung dann als erforderlich angesehen werden, wenn dies für den zeitlich überwiegenden Teil zutrifft (zum BetrVG: BAG vom 28.05.1976 - 1 AZR 116/74). Ob das so ist, muss der Werkstattrat wiederum bei seiner Beschlussfassung - aus der Sicht des schon zitierten vernünftigen Dritten - beurteilen. Im Zweifel darf er es nicht einfach vermuten, sondern muss sich beim Veranstalter informieren.
Um die Frage nach der Erforderlichkeit zu beantworten, kann sich der Werkstattrat an einer einfachen Checkliste orientieren:
- Welches Fachwissen (Grundlagen- und Spezialwissen) braucht der Werkstattrat als Gremium, um seine Aufgaben wahrzunehmen?
- Welches Mitglied im Werkstattrat braucht welches Spezialwissen für seine besonderen Aufgaben (insbesondere Ausschussmitglieder)?
- Welche Aufgaben stehen aktuell an, für die ein besonderer Schulungsbedarf existiert?
Der Werkstattmitwirkungsverordnung ist keinerlei Hinweis darauf zu entnehmen, welchen Umfang die Freistellung haben kann. Allerdings können die in § 37 Abs. 4 genannten Zahlen als Untergrenze gelten: Für neu gewählte Mitglieder 20 Tage in der ersten Amtszeit, ansonsten zehn Tage. Dies ist jedoch nur das Minimum. Für weitere Schulungen gibt es nur einen sehr allgemeinen Maßstab: Die Freistellung kann so lange dauern, wie erforderlich ist, um den Lernstoff zu bewältigen. Das mag sich nichtssagend anhören, enthält aber eine wichtige Informationen: Es gibt keine objektive Begrenzung der Freistellungsdauer.
Alle Bemühungen, eine allgemein gültige Grenze für die Dauer der Freistellung zu definieren, sind zum Scheitern verurteilt. Im Betriebsverfassungsrecht weiß sich daher die Rechtsprechung nur allgemein damit zu helfen, einen ebenso undurchschaubaren "Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" einzuführen (BAG vom 31.10.1972 - 1 ABR 7/72). Was der genau beinhaltet, weiß keiner. Es handelt sich eher um einen argumentativen Ansatz der Gerichte, um allzu großzügige Inanspruchnahme dieser Rechte einzudämmen. Konkrete Aussagen dazu, was verhältnismäßig ist und was nicht, gibt es aber nicht. Lediglich in einem Fall hat das BAG entschieden, dass eine 14-tägige Veranstaltung zum seinerzeit neu gefassten BetrVG nicht unverhältnismäßig ist (BAG vom 08.02.1977 - 1 ABR 124/74).
Wenn die Leitung der Werkstatt vor einer Veranstaltung signalisiert, sie werde später deren Kosten nicht übernehmen und auch die Vergütung für die Zeit nicht bezahlen, muss sich das betreffende Mitglied entscheiden, ob es dieses Risiko eingehen will. Da die Freistellung nicht von einer vorherigen Genehmigung abhängig ist, lässt sich auch vorher keine gerichtliche Klärung herbeiführen. Zwar haben einige Arbeitsgerichte bei Klagen von Betriebsräten hier entsprechende einstweilige Verfügungen erlassen. Die haben jedoch keinen Einfluss auf die spätere Zahlungspflicht der Werkstatt. Die wird erst nach Ablauf des Seminars geklärt.
Wichtig ist in dieser Situation zweierlei: Zum einen die Klärung, ob alle Formalien sauber eingehalten sind - insbesondere die Beschlussfassung ist hier immer wieder problematisch. Zum anderen das sichere Wissen darum, dass im Vorfeld solcher Veranstaltungen immer viel geblufft wird. Den meisten Leitungen ist später der Frieden in der Werkstatt wichtiger als ein Prinzipienstreit mit dem Werkstattrat.
Wer ganz sicher gehen will, meldet vorsorglich für die Zeit der Teilnahme an einer solchen Veranstaltung Urlaub oder Bildungsurlaub an, der dann nach einer gerichtlichen Klärung wieder gutgeschrieben wird. Zwar bedarf auch der Urlaub einer Bewilligung, die der Arbeitgeber verweigern kann. Mit einem solchen Vorgehen signalisiert der Teilnehmer aber, dass er jede Möglichkeit der Legalisierung der Arbeitsbefreiung ausschöpft und verhindert damit arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Der Werkstattrat beschließt, den/die KollegIn --Name des/der Kollegen/in-- gem. § 37 Abs. 4 WMVO zu der Schulungsveranstaltung --Titel der Veranstaltung-- vom xx.xx.xxxx bis zum xx.xx.xxxx zu entsenden. Die Veranstaltung findet in --Veranstaltungsort-- statt, die Kosten werden xxx,xx Euro betragen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Werkstattrat hat beschlossen, den/die KollegIn --Name des/der Kollegen/in-- gem. § 37 Abs. 4 WMVO zu der Schulungsveranstaltung --Titel der Veranstaltung-- vom xx.xx.xxxx bis zum xx.xx.xxxx zu entsenden. Die Veranstaltung findet in --Veranstaltungsort-- statt, die Kosten werden xxx,xx Euro betragen. Die weiteren Einzelheiten entnehmen Sie bitte der in Kopie beiliegenden Ausschreibung.
Wir bitten um Kenntnisnahme