BILDUNGSURLAUB FÜR ALLE ARBEITNEHMER*INNEN UND AUSZUBILDENDE (AWbG NRW)
In Nordrhein-Westfalen haben alle Beschäftigten, gleich ob sie im öffentlichen Dienst, in der Privatwirtschaft oder bei einer Kirche arbeiten, einen Anspruch darauf, sich fünf Tage im Jahr für politische oder berufliche Weiterbildung von der Arbeit freistellen zu lassen. Auszubildende haben einen Anspruch auf 5 Tage Freistellung innerhalb der Dauer ihrer Berufsausbildung. Diese Freistellungsmöglichkeit wird allgemein "Bildungsurlaub" genannt, offiziell heißt sie "Freistellung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW (AWbG NRW)". Weit über 1000 verschiedene Seminare pro Jahr können in NRW - und in bestimmten Fällen auch im Ausland - als Bildungsurlaub besucht werden. Wer teilnehmen darf, welche Veranstaltungen die Voraussetzungen erfüllen und was Interessierte beachten sollen, erklären wir im Folgenden.
Autor der folgenden Ausführungen war bis Ende 2014 Reinhold Mittag, ab 2015 Carsten Schuld. Seither aktualisiert von Christine Rosenthal.
Unsere Broschüre "Der Weg zum Bildungsurlaub"
Unsere Seminarangebote nach dem AWbG im Ausland und Seminarangebote nach dem AWbG in Kooperation mit Einzelgewerkschaften
Hilfreiche Stichwortsuche: Unser Bildungsurlaubslexikon
Wer hat Anspruch auf Bildungsurlaub?
Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub pro Jahr haben nach §§ 2, 3 AWbG Arbeiter und Angestellte, deren Beschäftigungsverhältnisse ihren Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen haben sowie Heimarbeiter, Gleichgestellte und arbeitnehmerähnliche Personen. Der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses bei Tätigkeiten mit wechselnden Einsatzorten und ohne gewöhnlichen Einsatzort kann sich aus der organisatorischen Zuordnung eines/einer Arbeitnehmer*in ergeben, so dass auch ein Flugbegleiter Bildungsurlaub beanspruchen kann. Der Anspruch hängt ferner von der Betriebsgröße, sein Umfang von eventueller betrieblicher Weiterbildung ab. Der Anspruch aus zwei Jahren kann zusammengefasst werden. Während des Bildungsurlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Zweck der Arbeitnehmerweiterbildung zuwiderlaufende Erwerbstätigkeit ausüben. Für die Zeit der Bildungsurlaubstage hat der Arbeitgeber die Arbeitsvergütung fortzuzahlen.
Das von Gewerkschaften lange geforderte Recht auf Bildungsurlaub auch für Auszubildende (Azubis) ist Ende 2014 endlich Gesetz geworden. Azubis in den Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. der Handwerksordnung (HWO) haben einen Anspruch
auf fünf Arbeitstage Bildungsurlaub während ihrer Berufsausbildung zum Zwecke der politischen Weiterbildung.
Vom Azubi sind diejenigen abzugrenzen, die keinen Anspruch auf Bildungsurlaub haben. Die Gesetzesbegründung benennt Umschüler, Praktikanten, Volontäre, Werkstudenten.
Anspruch haben ferner diejenigen, die in mit den Azubis nach dem BBiG oder der HWO vergleichbaren Berufsausbildungen sind. Laut Gesetzesbegründung müssen diese Bildungsgänge dieselben Merkmale wie nach dem BBiG bzw. der HWO aufweisen:
„Sie müssen auf einem Gesetz beruhen und aus einer schulischen und einer praktischen Ausbildung an zwei Lernorten bestehen. Außerdem muss ein Ausbildungsvertrag geschlossen werden, der eine Ausbildungsvergütung vorsieht. Das gilt für die bundesgesetzlich geregelten Berufe im Gesundheitswesen wie Altenpflegerin/Altenpfleger, Krankenschwester/Krankenpfleger, Masseur und medizinischer Bademeister.“
Diese Ausbildungen werden in staatlich anerkannten Schulen des Gesundheitswesens in NRW (sog. Fachschulen) vermittelt. Soweit dabei keine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, ist dies nach Auffassung des
BAG unerheblich. Das Bundesarbeitsgericht fasste den Ausdruck „zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte“ deutlich weiter (Ausbildung nach anderen Rechtsvorschriften). Auch Schüler bspw. zur Physiotherapie gehören zur Belegschaft, wenn die Schule des Arbeitgebers einen Vertrag über ihre Berufsausbildung geschlossen hat, die Azubis in den Betrieb eingegliedert sind und die Azubis eine berufspraktische Unterweisung innerhalb der Arbeitsabläufe im Betrieb erhalten. Der betrieblich-praktische Teil darf stundenmäßig weniger als die Hälfte der Ausbildungszeit betragen, muss aber einen qualitativ wichtigen Teil der Ausbildung bilden (BAG vom 06.11.2013, 7 ABR 76/11).
Keinen Anspruch auf Bildungsurlaub haben Schüler in vollzeitschulischen Bildungsgängen der Berufskollegs in NRW. Beispiel: Der Schüler besucht die dreijährige höhere Berufsfachschule, macht einen Abschluss als staatlich geprüfter elektrotechnischer Assistent und erwirbt zudem die Fachhochschulreife – kein Anspruch auf Bildungsurlaub. Diese Schüler können aber unter Umständen nach § 43 Abs. 4 des Schulgesetzes NRW vom Schulbesuch beurlaubt werden.
Bei Beginn oder Ende des Arbeitsverhältnisses gilt Folgendes: Die Anspruchsberechtigung entsteht nach einer Beschäftigungszeit von sechs Monaten beim jeweiligen Arbeitgeber, beträgt ab dann jährlich fünf Arbeitstage ohne Rücksicht auf Eintrittsdatum, Austrittsdatum oder Beendigungsgrund. Beim alten Arbeitgeber können also die vollen fünf Tage genommen werden unabhängig davon, ob möglicherweise im April oder im November die Stelle gewechselt wird. Wenn die Bildungsurlaubstage nicht genommen wurden und in der zweiten Jahreshälfte gewechselt wird, verfallen im Ergebnis die Tage aus diesem Jahr. Denn es gibt beim neuen Arbeitgeber erst im darauffolgenden Jahr wieder einen Anspruch, sobald insgesamt sechs Monate verstrichen sind. Wenn die Bildungsurlaubstage beim alten Arbeitgeber nicht oder nur teilweise genommen wurden und der Wechsel des Arbeitsplatzes in der ersten Jahreshälfte erfolgte, werden praktisch die beim früheren Arbeitgeber nicht genommenen Tage aus diesem Jahr „mitgenommen“ zum neuen Arbeitgeber, denn dort entsteht nach sechs Monaten Beschäftigungszeit noch im laufenden Jahr wieder der volle Anspruch, eventuell gekürzt um die beim alten Arbeitgeber bereits genommenen Tage. Eine weitergehende Übertragung oder eine Berechnung eines »anteiligen« Anspruchs findet nicht statt. Dies alles gilt unabhängig von Umfang und Inhalt des Arbeitsverhältnisses, erfasst werden also z.B. auch befristete Arbeitsverhältnisse.
Für Arbeitnehmer in Elternzeit sind im Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz keine Besonderheiten vorgesehen. Auch diese sind daher zunächst einmal anspruchsberechtigt. Genommen werden kann der Bildungsurlaub während der Elternzeit allerdings nur, wenn neben der Elternzeit auch gearbeitet, also Teilzeitarbeit geleistet wird. Andernfalls kann zwar an Bildungsveranstaltungen teilgenommen werden, aber es entsteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Nach Ende des Erziehungsurlaubs und Wiederaufnahme der Arbeit können die dann bestehenden Bildungsurlaubstage genommen werden.
Der Rechtsanspruch auf Bildungsurlaub besteht in Betrieben und Dienststellen ab zehn Beschäftigten.
a) Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten
Für Arbeiter und Angestellte, die in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten tätig sind, gibt es den Bildungsurlaub ohne Einschränkung.
Sonst gelten folgende Einschränkungen:
b) Betriebe mit 10 – 50 Beschäftigten
Für Betriebe mit zehn bis 50 Beschäftigten gilt eine Belastungsgrenze von 10 %. Ein Anspruch auf die jährlichen Bildungsurlaubstage besteht für jeden Beschäftigten nur so lange, bis insgesamt 10 % der Beschäftigten pro Kalenderjahr für AWbG-Bildungsurlaub freigestellt worden sind. Ab dann gibt es im laufenden Kalenderjahr für alle Beschäftigten in diesem Betrieb keinen weiteren Rechtsanspruch auf die Bildungsurlaubstage dieses Jahres mehr. Bildungsurlaub kann zwar trotzdem beantragt werden, aber eine Teilnahme ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber dies ausdrücklich so genehmigt. Es handelt sich dann um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Verweigert der Arbeitgeber die Freistellung oder antwortet er einfach nicht, dann gibt es hier keinen Bildungsurlaub. Der Arbeitnehmer muss für dieses Jahr verzichten und für das nächste Jahr eine Bildungsurlaubsveranstaltung aussuchen und hierfür möglichst rasch die Bildungsurlaubstage des nächsten Jahres beantragen, um bei den ersten 10 % zu sein.
Solange die gesetzliche Belastungsgrenze noch nicht erreicht ist, kann Bildungsurlaub nach den allgemeinen Regeln beansprucht werden. Wenn der Arbeitgeber auf das Erreichen seiner Belastungsgrenze hinweist und dies nicht glaubhaft erscheint, sollte er zur Offenlegung der Daten aufgefordert werden, um eine Prüfung zu ermöglichen. Da der Weg über die Gleichwohlerklärung bei betrieblichen Gründen ausgeschlossen ist, kann notfalls anschließend sofort das Gericht angerufen werden. Spätestens dort hat der Arbeitgeber auch im Einzelnen nachzuweisen, dass er zum Zeitpunkt des Antrags andere Arbeitnehmer in einer Anzahl von 10 % der Beschäftigten bereits tatsächlich freigestellt hatte.
c) Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten
Keinen Rechtsanspruch auf Freistellung gibt es in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten. Dort ist Bildungsurlaub nur eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Bildungsurlaub kann zwar auch im Kleinbetrieb beantragt werden, aber eine Teilnahme ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber dies ausdrücklich so genehmigt. Verweigert der Arbeitgeber im Kleinbetrieb die Freistellung oder antwortet er einfach nicht, dann gibt es hier keinen Bildungsurlaub. Wenn nun unklar ist, ob im eigenen Betrieb eine der genannten Grenzen gerade erreicht oder eben gerade noch nicht erreicht wurde, d.h. fraglich erscheint, ob neun oder zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden bzw. 50 oder 51 Arbeitnehmer, sind Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder Gewerkschaft auf Anfrage gerne behilflich. Wenn die Beschäftigtenzahl schwankt, d.h. in der Zeit des Antrags auf Bildungsurlaub Arbeitnehmer eingestellt oder entlassen werden, dürfte es wohl auf die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer ankommen; dies ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.
Umfang des Anspruchs auf Freistellung für Arbeitnehmerweiterbildung
Die Dauer des Bildungsurlaubs beträgt fünf Tage im Kalenderjahr. Wird regelmäßig an mehr oder weniger als fünf Tagen in der Woche gearbeitet, ändert sich die Anzahl der Bildungsurlaubstage entsprechend. Für Schichtarbeiter sind keine Besonderheiten geregelt. Erfolgt der Einsatz an wechselnden Wochentagen, kann die Berechnungsweise wie beim Erholungsurlaub als Orientierung dienen. Dort kommt es auf den Durchschnitt der wöchentlichen Arbeitstage an. Eine vom Umfang des so ermittelten Kontingents völlig unabhängige Frage ist, welche Tage des Kontingents für den Seminarbesuch gebraucht und verbraucht werden. Dabei kommt es auf die Lage des Seminars und die Lage der Arbeitszeit nach dem Schichtplan in dieser Woche an. Je nachdem sind nicht alle Tage aus dem Kontingent nötig oder umgekehrt unter Umständen sogar noch weitere Tage z.B. aus dem Arbeitszeitkonto erforderlich. Auch das Entgelt wird entsprechend der eingeteilten Arbeitstage/Schichten fortgezahlt, für die Bildungsurlaubstage genommen wurden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können freiwillig die Lage der Arbeitszeit für die Seminarwoche vom Schichtplan abweichend dahingehend vereinbaren, dass sich eine Anpassung an die Seminartage ergibt. Dabei ist ggf. auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten. Auf Anfrage sind Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder Gewerkschaft gerne behilflich. Eine Erkrankung während des Bildungsurlaubs verbraucht die betreffenden Bildungsurlaubstage nicht.
Während Arbeitnehmer pro Jahr Anspruch auf fünf Tage Freistellung von der Arbeit für politische oder berufliche Weiterbildung bei fortlaufendem Entgelt haben, ist der Anspruch der Auszubildenden auf fünf Tage für politische Bildung während ihrer Berufsausbildung beschränkt. Der Anspruch ist zudem in den ersten beiden Dritteln der Berufsausbildung zu nehmen oder erfordert eine ausnahmsweise Zustimmung des Ausbildungsbetriebes und der Berufsschule.
Arbeitnehmer der Metall- und Elektroindustrie können ihren Anspruch
auf Arbeitnehmerweiterbildung nach § 8 Ziffer 1 des Tarifvertrags
Bildung auch ganz oder teilweise in ein Bildungskonto
einbringen.
Es gibt eine Ausnahme zur fünftägigen Dauer des Bildungsurlaubs. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Teilnahme an einer betrieblich oder dienstlich veranlassten Bildungsveranstaltung freistellt, kann der Arbeitgeber nach § 4 Abs. 2 AWbG diese betriebliche Bildungsveranstaltung bis zu zwei Tage auf das jährliche Kontingent von fünf Tagen Bildungsurlaub anrechnen. Dann gibt es eventuell nur noch vier oder drei Tage Bildungsurlaub für das Kalenderjahr, in dem die Freistellung für die betriebliche Bildungsveranstaltung erfolgte. Die Anrechnung kann nur für ganze Tage erfolgen. Liegt keine Anrechnung vor, bleibt es bei den fünf Tagen. Nun besteht als Arbeitnehmer keine Verpflichtung, den Arbeitgeber zu fragen, ob er betrieblich veranlasste Bildungsveranstaltungen tatsächlich anrechnen wird. Die Anrechnung erfolgt nicht automatisch; der Arbeitgeber muss sie nicht vornehmen. Man sollte also auch in einem solchen Fall, wenn es wirklich schon einmal Bildungsveranstaltungen des Arbeitgebers gab, zunächst einmal fünf Tage Bildungsurlaub beantragen. Allerdings ist zu beachten, dass der Arbeitgeber eventuell jetzt noch die zwei Tage auf das jährliche Kontingent anrechnet, so dass dann möglicherweise nur noch ein Umfang von drei Tagen Bildungsurlaub bleibt, der selbstbestimmt genommen werden kann. Für die restlichen zwei Tage wird dann wohl Erholungsurlaub genommen werden müssen oder es ist statt der geplanten eine andere Bildungsveranstaltung, die nur drei Tage dauert, auszusuchen.
Die Anrechnung ist für den Arbeitgeber aber nicht jederzeit frei möglich, sondern an bestimmte Vorgaben gebunden. Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Anrechnung sind eine konkrete betrieblich veranlasste Bildungsveranstaltung, eine Freistellung für die Teilnahme daran und eine Anrechnungserklärung des Arbeitgebers innerhalb einer bestimmten Frist. Diese Frist ist in zweierlei Hinsicht begrenzt. Einerseits kann der Arbeitgeber die Anrechnung erst dann wirksam erklären, wenn er den betreffenden Arbeitnehmer für die Teilnahme an einer bestimmten betrieblich oder dienstlich veranlassten Bildungsveranstaltung verbindlich freigestellt hat. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Veranstaltung, sondern auf den Zeitpunkt der Freistellungserklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer an. Bloße Ankündigungen oder Vorbehalte bewirken aber nicht die Kürzung des 5-Tage-Kontingents. Auch wenn sich später herausstellt, dass die betreffende betriebliche Veranstaltung ausfällt, kann es nicht bei der Verkürzung des Bildungsurlaubskontingents bleiben. Andererseits kann der Arbeitgeber die Anrechnung nach der Freistellung auch nur wirksam bis spätestens sechs Wochen vor Beginn „der Bildungsveranstaltung“ erklären.
Der Gesetzestext lässt dabei leider unklar, ob hiermit die Bildungsveranstaltung des Betriebs oder die des Arbeitnehmers gemeint ist. Wenn dabei möglicherweise im Hinblick auf die Formulierung im vorhergehenden Satz des Gesetzestextes angenommen wird, dass die Anrechnungsfrist bis sechs Wochen vor Beginn der betrieblichen Bildungsveranstaltung läuft, tritt die Frage auf, ob auch noch zeitlich nach dem bereits erfolgten Bildungsurlaub eine nachträgliche Anrechnung ausgesprochen werden könnte. Denn dazu könnte es kommen, wenn der Bildungsurlaub früh und die Freistellung für eine betrieblich veranlasste Bildungsveranstaltung später im Jahr erfolgen. Eine solche Möglichkeit ist aber abzulehnen. Wenn die fünf Tage Bildungsurlaub tatsächlich bereits bewilligt und genommen worden sind, bedeutet dies vielmehr auch Sicherheit für den Arbeitnehmer; die Tatsache der Freistellung genügt für den Entgeltanspruch. Daher gibt es nach dem „Verbrauch“ der Bildungsurlaubstage durch Seminarbesuch eben nichts mehr, worauf noch angerechnet werden könnte, eine Anrechnung ginge ins Leere. Auch hier sind in Zweifelsfragen Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder Gewerkschaft auf Anfrage gerne behilflich.
Bei den Azubis kann der Ausbildungsbetrieb nicht nur ggf. bis zu zwei Tage (pro Jahr) auf den Anspruch anrechnen, sondern die gesamte betrieblich veranlasste Veranstaltung zur politischen Bildung auf den insgesamt fünftägigen Freistellungsanspruch von Azubis. Wichtig: angerechnet werden kann nur, wenn der Betrieb politische (nicht: berufliche) Veranstaltungen veranlasst hat. Beispiel für eine denkbare Anrechnung: die Azubis eines metallverarbeitenden Betriebes führen auf Veranlassung des Betriebs eine einwöchige Gedenkstättenstudienreise durch.
Keine Anrechnung auf den Anspruch der Azubis erfolgt bei betrieblich veranlassten Veranstaltungen der beruflichen Weiterbildung (z.B.: im Betrieb werden interne Schulungen zum Rechnungswesen für die kaufmännischen Azubis durchgeführt oder tarifvertraglich besteht ein Anspruch auf Prüfungsvorbereitungsmaßnahmen, wie dies im TVAöD der Fall ist).
Bei den betrieblich bzw. dienstlich veranlassten (beruflichen) Bildungsveranstaltungen für Arbeitnehmer inklusive der Azubis sind die Beteiligungs-/Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen bei der Berufsbildung zu berücksichtigen.
Der Anspruch auf Weiterbildung ist auf das Kalenderjahr bezogen. Er entsteht mit Beginn des Jahres und erlischt mit seinem Ablauf. Als Ausnahmen vorgesehen sind im Gesetz die Zusammenfassung und die Übertragung. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene Alternativen. Nur die Alternative der Zusammenfassung kann frei vom Arbeitnehmer gewählt werden. Die gesetzliche Übertragung greift allein bei Ablehnung einer zustehenden Bildungsmaßnahme aus betrieblichen Gründen durch den Arbeitgeber. Im Übrigen sind weitergehende freiwillige Vereinbarungen möglich.
a) Zusammenfassung der Ansprüche auf Bildungsurlaub aus zwei Jahren
Der jährliche Anspruch auf Bildungsurlaub verfällt am Jahresende. Es gibt aber eine Ausnahme, auf die der Arbeitnehmer nach eigenem Geschmack zurückgreifen kann. Der Anspruch von zwei Kalenderjahren kann zusammengefasst werden. Falls also der Arbeitnehmer beabsichtigt zehn Tage Bildungsurlaub aus zwei Jahren zu nehmen, kann dies bei freiwilligen Regelungen mit dem Arbeitgeber im Rückgriff auf das vergangene ebenso wie im Vorgriff auf das künftige Jahr erfolgen. Lässt sich eine freiwillige Regelung nicht vereinbaren, sind die Urteile des BAG vom 11.05.1993, 9 AZR 126/89 und vom 18.11.2008, 9 AZR 815/07 zu beachten. Danach kann der Arbeitnehmer die Übertragung der fünf Tage aus dem laufenden in das kommende Kalenderjahr zum Zweck der Zusammenfassung auch gegen den Willen des Arbeitgebers beanspruchen. Dies muss ausdrücklich erklärt werden und zwar noch im laufenden Jahr. Dabei ist nicht erforderlich bereits jetzt die geplante Veranstaltung anzugeben. Es braucht auch nicht eine zehntägige Veranstaltung besucht zu werden, sondern der Anspruch kann auch zum Besuch inhaltlich-thematisch verbundener Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden. Es können auch mehrere kürzere Seminare absolviert werden, wenn ein sachlicher Zusammenhang wie z.B. bei Grund- und späterem Aufbaulehrgang besteht. Gefordert wird, dass die einzelnen Veranstaltungen inhaltlich, zeitlich oder organisatorisch zusammenhängen. Dem Arbeitnehmer soll durch die Zusammenfassung ermöglicht werden, an einer längeren oder an mehreren zusammenhängenden Veranstaltungen von insgesamt mehr als fünftägiger Dauer teilzunehmen. Der Besuch von voneinander thematisch unabhängigen Veranstaltungen ist davon nicht erfasst. Gefordert wird vielmehr eine inhaltliche Verbindung der Weiterbildungsmaßnahmen. Die Übertragung der fünf Tage in das folgende Jahr zum Zweck der Zusammenfassung muss spätestens im Dezember geltend gemacht werden, etwa nach dem unten abgedruckten Muster. Die Möglichkeit der Zusammenfassung besteht im Übrigen nach der hier vertretenen Auffassung auch dann, wenn wegen Teilnahme z.B. an einer 3-tägigen Bildungsveranstaltung nicht mehr die vollen fünf Tage zur Verfügung stehen, sondern nur noch zwei Tage aus dem Kontingent des laufenden Jahres verbleiben. Damit ergibt sich die Option im kommenden Jahr z.B. sieben Tage für zusammenhängende Seminare zu nutzen. Ob dann nur solche Seminare in Frage kommen, für die auch ein Zusammenhang mit der bereits besuchten Bildungsveranstaltung dargestellt werden kann, ist noch nicht geklärt. Der Gesetzeszweck spricht für ein freieres Auswahlrecht.
b) Übertragung auf das Folgejahr bei Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Der Begriff »Übertragung« wird im allgemeinen Sprachgebrauch in einem weitergehenden Sinn als vom Gesetz verwendet. Zu beachten ist dabei der Umstand, dass jeweils zum Jahresende die oben genannte Zusammenfassung so erklärt werden kann, dass eine Zusammenfassung mit den Ansprüchen im Folgejahr erreicht wird. Aus Sicht des Arbeitnehmers führt also seine Erklärung zu diesem Zeitpunkt damit zu einer faktischen »Übertragung« von Bildungsurlaubstagen auf das Folgejahr zum Zweck der Zusammenfassung. Hiergegen ist nichts einzuwenden. Allerdings ist der Sprachgebrauch »Übertragung« für das weitere Verständnis des Gesetzes irreführend, denn trotz der genannten Übertragungswirkung gelten nicht die Regeln der Übertragung bei Ablehnung aus betrieblichen Gründen (weil es sich eben nicht um einen solchen Fall handelt), sondern die Regeln für die Zusammenfassung. Im praktischen Ergebnis ist es also wichtig zu beachten, dass eine solche »Übertragung« als Zusammenfassung und nicht als Übertragung im Sinne des Gesetzes behandelt wird. Hierfür gelten also nicht die nachfolgenden, sondern die oben genannten Ausführungen zur Zusammenfassung. Nur bei Ablehnung aus betrieblichen Gründen gilt dann das Folgende zur Übertragung: Wenn der Arbeitnehmer an einer beantragten und ihm zustehenden Arbeitnehmerweiterbildung nicht teilnehmen konnte, weil der Arbeitgeber die Freistellung mit Hinweis auf zwingende betriebliche oder dienstliche Belange oder entgegenstehende Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer abgelehnt hatte, dann sind nach dem Gesetz die Bildungsurlaubstage aus dem laufenden Kalenderjahr auf das folgende Kalenderjahr zu übertragen. Die Übertragung erfolgt einmalig und nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Diese Tage können dann im Folgejahr frei genommen werden und sind nicht etwa wie bei der Zusammenfassung auf Veranstaltungen mit sachlichem Zusammenhang beschränkt. Ein Antrag auf Übertragung ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen. Wenn zur Sicherheit an eine vorsorgliche Geltendmachung der Übertragung gedacht wird, kann diese nach der Ablehnung auch im noch laufenden Jahr erfolgen, z.B. mit dem unten stehenden Musterschreiben "Übertragung von Bildungsurlaub ins Folgejahr bei Ablehnung aus betrieblichen Gründen".
Der Weg zum Bildungsurlaub in vier Schritten
... vorgeschriebene Weg für Arbeitnehmer zum Bildungsurlaub in vier Schritte aufteilen. Ein fünfter Schritt ist nach dem Seminarbesuch nötig. Diese Schritte werden im Folgenden näher beschrieben.
Zuerst ist es erforderlich, Unterlagen über das Seminar vom Seminarveranstalter zu erhalten. Das Gesetz verlangt, dass der Arbeitnehmer bereits vorab dem Arbeitgeber das Bildungsprogramm der Veranstaltung und einen Nachweis über die „Anerkennung der Bildungsveranstaltung“ vorlegt. Diese Unterlagen gibt es nur vom Veranstalter, sie müssen also dort angefordert werden und zwar frühzeitig, d.h. mindestens zwei Monate vor der Veranstaltung. Diese Unterlagen müssen dann spätestens etwa sieben Wochen vor Beginn der Veranstaltung beim Arbeitnehmer eingehen, damit er seinerseits noch rechtzeitig unter Einhaltung der Mindestfrist von sechs Wochen den Antrag beim Arbeitgeber stellen kann.
a) Seminarprogramm
Erforderlich ist also zunächst ein Seminarprogramm, das nach dem Gesetz auch noch besonderen Anforderungen genügen muss. Aus diesem Programm müssen sich folgende Punkte ergeben:
- die Zielgruppe, d.h. der Kreis, auf den die Veranstaltung abzielt (zur Überprüfung, ob das Seminar für jedermann zugänglich sein soll) und
- die Lernziele und Lerninhalte (zur Überprüfung, ob hier berufliche oder politische Arbeitnehmerweiterbildung vorliegt) und
- der zeitliche Ablauf der Veranstaltung (zur Überprüfung, ob hier in der Regel täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden von jeweils 45 Minuten vorgesehen sind).
b) Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung
Ferner ist ein Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung erforderlich. Wie dieser Nachweis auszusehen hat ist zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben, notwendig sind aber wohl zumindest
- die Kopie der aktuellen, vom Ministerium veröffentlichten Liste der anerkannten Einrichtungen der Weiterbildung, auf welcher der betreffende Seminarträger angegeben ist und
- die Kopie der Werbung für dieses Seminar, etwa einer Zeitungsannonce, Angabe der Internetadresse mit dem angebotenen Seminar oder Mitteilung über sonstige Wege der Bekanntmachung.
Liegen diese Unterlagen vor, kann es weitergehen.
Dieser Antrag muss mindestens sechs Wochen vor Beginn des Seminars beim Arbeitgeber eingegangen sein. Der Antrag sollte so frühzeitig wie möglich gestellt werden. Die Einhaltung der Frist ist Voraussetzung für den Anspruch auf bezahlte Freistellung für den Bildungsurlaub. Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. Er muss beinhalten, dass die Freistellung nach dem AWbG beansprucht wird und für welchen Zeitraum diese Freistellung beantragt wird. Ferner müssen die oben genannten Unterlagen (Programmheft, Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung) beigefügt sein. Ein Formularmuster für eine derartige Mitteilung ist unten abgedruckt. Der Arbeitgeber muss den Empfang quittieren, d.h. als Arbeitnehmer/in sollte man auf einer Empfangsbestätigung bestehen oder den Antrag mit den Anlagen im Beisein von Zeugen abgeben oder sonst für einen anderen Nachweis sorgen. Dabei sollte auch das Eingangsdatum beim Arbeitgeber notiert werden. Hat der Arbeitnehmer seine Freistellung verspätet verlangt, ist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG nicht mehr verpflichtet, die Freistellungserklärung abzugeben, auch wenn sonst die Bildungsveranstaltung den Anforderungen entspricht.
Die Frist für die Reaktion des Arbeitgebers beträgt drei Wochen gerechnet ab Eingang des vollständigen – dies ist wichtig, sonst zählt es nicht! – Antrags beim Arbeitgeber. Genehmigt er Bildungsurlaub, gibt es natürlich kein Problem. Wenn der Arbeitgeber ablehnt oder einfach schweigt, gilt nun Folgendes.
a) Schweigen
Schweigt der Arbeitgeber in diesem Zeitraum von drei Wochen ab Eingang des vollständigen Antrags, gilt dies nach dem Gesetz als Zustimmung. Der Bildungsurlaub ist also genehmigt, der Arbeitnehmer kann zum Seminar fahren und die Arbeitsvergütung muss vom Arbeitgeber auch für die Dauer der Seminarteilnahme weitergezahlt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wenn der Arbeitgeber die Frist verpasst und erst nach Ablauf von drei Wochen nach dem Antrag den Bildungsurlaub ablehnt. Es bleibt dabei, dass die Freistellung kraft
Gesetzes erteilt ist.
b) Ablehnung
Es kommt auf die Einhaltung der für den Arbeitgeber geltenden Frist und auf den in der Ablehnung angegebenen Grund an.
Wenn die Ablehnung beim Arbeitnehmer später als drei Wochen nach Antragstellung eingeht, zählt dies rechtlich nicht mehr als Ablehnung, sondern es gilt die unter Punkt a) zu „Schweigen“ aufgeführte Regelung: In diesem Fall gilt also die Zustimmung als erteilt und an der Maßnahme kann teilgenommen werden. Zur Sicherheit sollte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf diese Folge hinweisen. Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder Gewerkschaft können hier unterstützen und bei der Realisierung behilflich sein.
Wenn die Ablehnung beim Arbeitnehmer innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingeht, richtet sich das weitere Vorgehen danach, ob der Arbeitgeber betriebliche Gründe anführt oder nicht.
- Wenn der Arbeitgeber den Bildungsurlaub zwar grundsätzlich akzeptiert, nur gerade zu diesem Zeitraum aus betrieblichen Gründen ablehnt, wäre eventuell, wenn die betrieblichen Gründe nachvollziehbar sind, ein neuer Termin zu suchen, an dem diese Bildungsmaßnahme vielleicht erneut angeboten wird; es sollte dann sofort der Bildungsurlaub hierfür beantragt werden. Auch die oben angesprochene Möglichkeit der Übertragung des Bildungsurlaubs auf das Folgejahr kommt hierfür in Betracht. Allerdings kann auch einmal fraglich sein, ob wirklich betriebliche Gründe gegeben sind, die dem Seminarbesuch in diesem Zeitraum entgegenstehen oder ob z.B. nur allgemein wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers abgelehnt wurde. Dies wäre nicht zulässig. Wenn die betrieblichen Gründe nur vorgeschoben erscheinen, sind Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder Gewerkschaft auf Anfrage gerne behilflich. Der Betriebsrat kann von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch machen und die Entscheidung des Arbeitgebers, dass entgegenstehende betriebliche Gründe vorliegen, durch die Einigungsstelle prüfen und ggf. korrigieren lassen. Ferner besteht die Möglichkeit der Klage oder in bestimmten Fällen sogar einer einstweiligen Verfügung auf Seminarteilnahme, sofern die entgegenstehenden betrieblichen Gründe tatsächlich nicht gegeben sind. Es sollte dann möglichst rasch fachkundige Beratung eingeholt werden.
- Höchst eilig wird es, wenn der Arbeitgeber die Seminarteilnahme zwar innerhalb der drei Wochen nach Antragstellung ablehnt, aber keine betrieblichen Gründe anführt, also wenn die Bildungsveranstaltung nach Meinung des Arbeitgebers die Voraussetzungen nach dem AWbG nicht erfüllt oder wenn gar keine Gründe angegeben werden. Dann kann nur innerhalb von einer Woche der vierte Schritt gegangen, d.h. die vorgeschriebene Erklärung abgegeben werden.
Normalerweise darf der Arbeitnehmer nicht gegen den Willen des Arbeitgebers von der Arbeit fernbleiben. Hier gilt eine Ausnahme. Der Arbeitnehmer kann, wenn er eine bestimmte Formalie genau einhält, auch gegen den Willen des Arbeitgebers zum Seminar fahren!
Dazu muss er innerhalb von einer Woche nach Ablehnung schriftlich dem Arbeitgeber mitteilen, dass er gleichwohl am Seminar teilnehmen wird. Ein Formular für diese Erklärung ist unten abgedruckt.
Ohne diese Erklärung darf der Arbeitnehmer allerdings nicht von der Arbeit fernbleiben. Auch eine Erklärung später als nach Ablauf der Wochenfrist nutzt leider nichts. Der Arbeitnehmer darf dann nicht zum Seminar fahren und muss ggf. einen neuen Antrag stellen und von vorne beginnen (oder müsste evtl. Erholungsurlaub nehmen, aber der ist nicht hierfür, sondern zur Erholung gedacht).
Sehr wichtig ist daher, dass die Einhaltung der Wochenfrist nachgewiesen werden kann. Auch hier ist also eine Quittung mit Datumsangabe durch den Arbeitgeber oder ein Zeuge bei Übergabe des Schriftstücks notwendig. Der Arbeitgeber kann dann die Seminarteilnahme nicht als Arbeitsverweigerung betrachten, sondern, dies ist im Gesetz ausdrücklich so vorgesehen, der Arbeitnehmer bekommt trotz der Verweigerung durch den Arbeitgeber „frei“ für den Bildungsurlaub. Eine einzige Ausnahme besteht, wenn der Arbeitgeber eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht gegen die Seminarteilnahme erwirkt. Diese dürfte aber für Arbeitgeber schwierig zu erhalten sein.
Das Arbeitsentgelt für die ausgefallenen Arbeitstage aus der Zeit der Seminarteilnahme zahlt der Arbeitgeber nicht unbedingt sofort weiter. Nach einer Gleichwohlerklärung wird als zulässig angesehen, dass der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung erst einmal nicht leistet. Es kann dann Zahlungsklage erhoben werden. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen des AWbG eingehalten sind. Je nachdem muss das Entgelt dann gezahlt werden. Das Urteil ist also abzuwarten. Wenn es für die eigene Entscheidung über die Abgabe einer Gleichwohlerklärung und Seminarteilnahme darauf ankommen sollte, wie sicher und wie schnell das Entgelt in einem späteren Gerichtsverfahren erstritten werden kann, kann eine vorsichtige fachliche Einschätzung zu den Erfolgsaussichten im Einzelfall durch eine Beratungsstelle der Gewerkschaft erfolgen.
Sind diese Schritte absolviert, kommt es nun zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer am Seminar teilnimmt. Nach dem Seminarbesuch ist dem Arbeitgeber die Teilnahme am Seminar nachzuweisen. Hierfür ist eine Bescheinigung vom Träger der Bildungsveranstaltung auszustellen, die dann dem Arbeitgeber einzureichen ist (vorher Kopie für die eigenen Unterlagen anfertigen, auch hier eventuell den Empfang quittieren lassen).
Der Arbeitgeber muss dann die Arbeitsvergütung für die Dauer der Seminarteilnahme weiterzahlen und bei einem Arbeitszeitkonto die Stunden, die ausgefallen sind (unabhängig von den Seminarstunden), wie bei Feiertagen in vollem Umfang gutschreiben. Keine Probleme gibt es, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich dem Seminarbesuch zugestimmt oder sich innerhalb von drei Wochen nicht geäußert hatte. Etwas aufwendiger wird es nur, wenn die Gleichwohl-Erklärung nötig wurde und Zahlung nicht freiwillig erfolgt. Dann muss der Arbeitnehmer anschließend noch im Prozess um die Vergütung nachweisen, dass hier die Voraussetzungen nach dem AWbG für die Seminarveranstaltung vorgelegen haben. Gelingt dies, wird auch hier die fehlende Vergütung nachgezahlt. Gelingt dies nicht, bleibt es eben eine Art von „unbezahltem Sonderurlaub“.
Auch hier ist Unterstützung, am besten durch Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder Gewerkschaft, eventuell auch durch den Seminaranbieter, sehr zu empfehlen.
Für welche Seminare kann Bildungsurlaub genommen werden?
... ergibt sich aus §§ 1, 9, 10 AWbG. Danach kann Arbeitnehmerweiterbildung in „anerkannten Bildungsveranstaltungen“ genommen werden, die der beruflichen und/oder der politischen Weiterbildung dienen. Wann Bildungsveranstaltungen anerkannt sind oder zumindest als anerkannt gelten, ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Nach der Gesetzesbegründung soll nicht die einzelne Bildungsveranstaltung förmlich anerkannt werden, sondern es soll sich nach § 9 Abs. 2 richten, welche Veranstaltungen nicht als Bildungsveranstaltungen im Sinne des Gesetzes „gelten“, so jedenfalls die Gesetzesbegründung zu § 9 (Landtags-Drucksache 14/10134, S. 11). Das Seminar muss daher der beruflichen und/oder politischen Weiterbildung dienen und von einer durch die Bezirksregierung anerkannten Einrichtung durchgeführt werden. Die Veranstaltung muss allen Arbeitnehmern zugänglich sein; einschränkend dürfen fachliche Vorkenntnisse gefordert werden. Das Seminar muss bestimmte zeitliche und inhaltliche Vorgaben erfüllen und mit wenigen Ausnahmen in oder innerhalb von 500 km um NRW stattfinden.
Politische Arbeitnehmerweiterbildung wird angenommen, wenn die Veranstaltung dem Ziel dient, das Verständnis der Beschäftigten für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern und dadurch die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern. Aus dem Seminarablaufplan und den Erläuterungen des Veranstalters ergibt sich, ob das Seminar diesem Ziel dienen soll. Berufliche Arbeitnehmerweiterbildung liegt vor, wenn die berufsbezogene Handlungskompetenz der Beschäftigten gefördert und deren berufliche Mobilität durch das Seminar verbessert wird. Sie ist nicht auf die bisher ausgeübte Tätigkeit beschränkt. Dennoch sind Bildungsinhalte, die sich nicht unmittelbar auf die ausgeübte Tätigkeit beziehen, nur dann akzeptiert, wenn sie in der beruflichen Tätigkeit zumindest zu einem mittelbar wirkenden Vorteil des Arbeitgebers verwendet werden können. Dies ist aber doch oft gegeben.
Als Beispiel zur Verdeutlichung: Eine Krankenschwester, die einen Italienisch-Kurs besucht, kann hierfür Bildungsurlaub nehmen, wenn sie auch italienische Patienten zu betreuen hat. Denn damit ist jedenfalls ein zumindest geringfügiger Vorteil auch für das Krankenhaus als Arbeitgeber verbunden. Oder ein anderes Beispiel betreffend einen Sprachkurs Spanisch eines Flugbegleiters: Die Nützlichkeit von Kenntnissen der spanischen Sprache in der Tätigkeit als Flugbegleiter wird durch das Übergewicht der englischen Sprache im internationalen Flugverkehr nicht ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer braucht auch nicht darzulegen, dass er seine Tätigkeit künftig mithilfe der Sprachkenntnisse besser versehen kann, so ausdrücklich das BAG im Urteil vom 18.11.2008, 9 AZR 815/07. Auch z.B. Englischkenntnisse werden sich oft als nützlich für den Arbeitgeber darstellen lassen, etwa für die fachliche Recherche in internationalen Seiten des Internet oder für den Kontakt mit ausländischen Kunden. Auch bei EDV-Kursen ergeben sich in diesem Zusammenhang oft nützliche Aspekte für den Arbeitgeber. Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung oder Gewerkschaft sind hier auf Anfrage gerne behilflich.
Veranstaltungen, die nicht der beruflichen und/oder politischen Bildung dienen, werden nicht akzeptiert. Eine ganze Reihe von derartigen ausgeschlossenen Seminaren zählt das Gesetz ausdrücklich auf. Dies sind Veranstaltungen, die der Erholung, der Unterhaltung, der privaten Haushaltsführung, der Körper- und Gesundheitspflege oder sportlichen, künstlerischen oder kunsthandwerklichen Zwecken dienen, auf das Einüben psychologischer oder ähnlicher Fertigkeiten gerichtet sind oder auf den Erwerb von Fahrerlaubnissen etc. vorbereiten. Ebenfalls nicht akzeptiert werden auch Seminare, die Studienreisen sind oder die überwiegend einzelbetrieblichen oder dienstlichen Zwecken dienen. Zu empfehlen ist hier, den Text der Werbung für das Seminar und die Seminarbeschreibung selbst genau durchzulesen. Steht hier der Aspekt der Verbesserung des Verständnisses für die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse erkennbar im Vordergrund, wird das Seminar als Bildungsurlaub zu akzeptieren sein. Wenn dagegen die Erholung, Unterhaltung etc. im Vordergrund stehen sollte und z.B. nur „nebenbei“ mit wenigen Stunden berufliche oder politische Bildung erfolgt, kann nicht mit einer Anerkennung als Bildungsurlaub gerechnet werden. Im Zweifel sollte vor der Teilnahme beim Veranstalter nachgefragt werden.
Das Seminar muss innerhalb von 500 km um NRW oder in NRW selbst abgehalten werden. Die Entfernung berechnet sich, so jedenfalls die Gesetzesbegründung, nach der Luftlinie vom Veranstaltungsort zur Landesgrenze von NRW. Damit sind Veranstaltungen in Deutschland, Belgien, Niederlande, Luxemburg und in den grenznahen Bereichen Frankreichs, Polens, Tschechiens und Dänemarks zulässig. Für die Frage, wo der Veranstaltungsort im Einzelfall anzunehmen ist, kommt es nach der Rechtsprechung des LAG Hamm im Urteil vom 08.02.06, 18 Sa 425/05, darauf an, an welchem Ort das Hotel ist, in dem die Teilnehmer wohnen und wo die überwiegenden Veranstaltungen stattfinden. Zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus kann für Seminare auch am Ort von Gedenkstätten und Gedächtnisorten Bildungsurlaub genommen werden. Andere Orte sind nicht vorgesehen. Auch wenn also z.B. das Erlernen einer Fremdsprache wie Italienisch berufliche Bildung und damit bildungsurlaubsfähig sein kann, gibt das Gesetz den Bildungsurlaub zwar für den Italienischkursus in Deutschland, aber nicht in Italien. Möglicherweise ist jedoch ein Sprachkurs im Mutterland der Sprache effektiver zum Erlernen der Sprache. Dann sollte mit dem Arbeitgeber eine freiwillige Regelung im Verhandlungswege versucht werden. Die Bildungsurlaubstage brauchen nicht zusammenhängend genommen zu werden. Geeignet sind nach § 5 Abs. 5 AWbG auch Seminare, die in der Regel an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden. Innerhalb zusammenhängender Wochen kann Bildungsurlaub auch für jeweils einen Tag pro Woche beansprucht werden, wenn eine inhaltliche und organisatorische Kontinuität der Bildungsveranstaltung gegeben ist. Zum zeitlichen Veranstaltungskonzept sieht das Gesetz nun vor, dass Bildungsveranstaltungen in der Regel täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden von jeweils 45 Minuten umfassen müssen. Nach der Gesetzesbegründung ist dies so zu verstehen, dass Zeiten für die An- und Abreise hiervon nicht erfasst und nicht auf die Unterrichtszeit angerechnet werden. Ferner braucht, wie auch schon bisher, bei mehrtägigen Veranstaltungen nicht an jedem Tag der volle Umfang erbracht zu werden, wenn an einem anderen Tag der Unterricht entsprechend länger dauert; das hatte das BAG in einer noch zu der vorangegangenen Gesetzesfassung ergangenen Entscheidung festgestellt. Die Veranstalter sind über die Anforderungen informiert und geben Auskunft.
Bildungsurlaub kann nur für Seminare einer anerkannten Einrichtung beansprucht werden. Seminare anderer Einrichtungen kann der Arbeitgeber auch genehmigen, dies ist dann aber freiwillig. Die Anerkennung erfolgt, indem die Bezirksregierung der Einrichtung die Eigenschaft einer anerkannten Einrichtung verleiht. Das Ministerium veröffentlicht eine Liste der anerkannten Einrichtungen der Arbeitnehmerweiterbildung und aktualisiert sie mindestens jährlich. Dort ist also einsehbar, ob der betreffende Seminaranbieter anerkannt ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen, nämlich ein Bestehen der Einrichtung seit mehr als zwei Jahren, organisierte Planung und Durchführung von Lehrveranstaltungen unabhängig vom Wechsel des Personals und ein Gütesiegel etwa nach dem Referenzmodell Gütesiegelverbund Weiterbildung, EFQM, ISO 9000 ff und LQW oder gleichwertig, musste der Veranstalter für die Anerkennung der Bezirksregierung nachweisen, so dass es hier nicht mehr zu Zweifeln kommen kann.
Das Seminar muss auch durch die anerkannte Einrichtung selbst durchgeführt werden. Es genügt nicht, dass diese nur ihren Namen hergibt. Erforderlich ist also, dass die anerkannte Einrichtung selbst den bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung hat, ob die Veranstaltung stattfindet, wie sie inhaltlich durchgeführt wird, wer unterrichtet und wer teilnimmt. Diese Punkte müssen alle von der anerkannten
Einrichtung selbst erfüllt sein. Kooperationen sind zwar möglich, jedoch muss der bestimmende Einfluss auf alle genannten Punkte bei dem anerkannten Partner liegen, so dass für den anderen Kooperationspartner nur untergeordnete Möglichkeiten bleiben dürfen.
Bildungsurlaub kann nur für Seminare beansprucht werden, die für alle Arbeitnehmer zugänglich sind. Zulässig ist eine Einschränkung dahin, dass Veranstalter die Teilnahme von fachlichen Vorkenntnissen abhängig machen können. Das Seminar darf nicht nur für einen geschlossenen Kreis angeboten werden. Erforderlich ist eine aktive Werbung, aus der dies klar ersichtlich wird. Denkbar sind verschiedene Möglichkeiten, etwa eine Annonce in der regionalen Presse (»Unser aktuelles Bildungsprogramm liegt vor und ist bei uns zu beziehen, alle Seminare sind für jedermann zugänglich«) oder eine entsprechende Angabe im Internet, nicht zuletzt auch ein Werbeplakat am schwarzen Brett in den Betrieben und/oder eine Verteilung etwa des Programmheftes in großer Stückzahl an Stellen mit Publikumsverkehr oder ähnliches.
Musterschreiben
Name Arbeitnehmer
Adresse
An die Firma
Datum
Antrag auf Bildungsurlaub
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beanspruche Bildungsurlaub nach dem AWbG NRW in der Zeit von………. bis ………. Die Unterlagen über die Bildungsveranstaltung sind beigefügt, insbesondere der Nachweis über die Anerkennung sowie das Programm, aus dem sich die Zielgruppe, Lernziele, Lerninhalte sowie der zeitliche Ablauf der Veranstaltung ergeben.
Mit freundlichem Gruß
Unterschrift
Empfangsbestätigung
Dieses Schriftstück haben wir heute erhalten.
Ort, Datum ...................................................................................
Unterschrift Arbeitgeber .................................................................
(bzw. die Stelle, die den Antrag entgegennimmt)
Name Arbeitnehmer*innen
Adresse
An die Firma
Datum
Übertragung von Bildungsurlaub ins Folgejahr wegen
Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Mitteilung vom .............. haben Sie meinen Antrag auf Freistellung zum Zweck der Arbeitnehmerweiterbildung vom ............... abgelehnt mit der Begründung, dass dem Veranstaltungsbesuch zwingende betriebliche oder dienstliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Dies habe ich hingenommen. Auf die Regelung in § 3 Abs. 4 AWbG NRW weise ich hin. Die Bildungsurlaubstage sind danach auf das Folgejahr zu übertragen. Dies mache
ich hiermit geltend.
Mit freundlichem Gruß
Unterschrift
Empfangsbestätigung
Dieses Schriftstück haben wir heute erhalten.
Ort, Datum ....................................................................................
Unterschrift Arbeitgeber .................................................................
(bzw. die Stelle, die den Antrag entgegennimmt)
Name Arbeitnehmer*innen
Adresse
An die Firma
Datum
Erklärung Gleichwohl-Teilnahme
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Freistellung zur Arbeitnehmerweiterbildung haben Sie mir aus anderen Gründen als nach § 5 Abs. 2 AWbG NRW verweigert. Hiermit teile ich mit, dass ich gemäß § 5 Abs. 4 AWbG NRW gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde.
Mit freundlichem Gruß
Unterschrift
Empfangsbestätigung
Dieses Schriftstück haben wir heute erhalten.
Ort, Datum ....................................................................................
Unterschrift Arbeitgeber .................................................................
(bzw. die Stelle, die den Antrag entgegennimmt)
Name Arbeitnehmer*innen
Adresse
An die Firma
Datum
Zusammenfassung des Anspruchs auf Bildungsurlaub
Hinweis: Die Übertragung des Bildungsurlaubs in das Folgejahr
zur Zusammenfassung des Anspruchs muss bis zum 31.12. des
ablaufenden Kalenderjahres erfolgen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
im laufenden Jahr …. habe ich meinen Bildungsurlaub nach dem AWbG NRW noch nicht in Anspruch genommen. Ich beabsichtige im folgenden Jahr gemäß § 3 Abs. 1 AWbG NRW die Zusammenfassung des Anspruchs und mache daher die Übertragung von fünf Tagen Bildungsurlaub in das Jahr ….. geltend.
Mit freundlichem Gruß
Unterschrift
Empfangsbestätigung
Dieses Schriftstück haben wir heute erhalten.
Ort, Datum ....................................................................................
Unterschrift Arbeitgeber .................................................................
(bzw. die Stelle, die den Antrag entgegennimmt)
Name Bildungseinrichtung
Adresse
An
Name Arbeitnehmer*in
Datum
Teilnahmebescheinigung (§ 5 Abs. 6 AWbG NRW)
Name, Adresse des/der Teilnehmer*in …………………………..
hat an unserer nachfolgend aufgeführten Bildungsveranstaltung teilgenommen:
Thema: .........................................................................................
von ......................................... bis ...............................................
in .................................................................................................
Unterschrift ...................................................................................