BAG VOM 16.10.1986 - 1 AZR 831/98

§ 111 BetrVG benachteiligt Arbeitnehmer in Kleinbetrieben im Vergleich zu Arbeitnehmern in größeren Betrieben. Die Ungleichbehandlung orientiert sich an einem Differenzierungsmerkmal, auf das die betroffenen Arbeitnehmer nicht mit ihrem Verhalten Einfluß nehmen können; der Zuschnitt der Betriebsgröße hängt allein von der Entscheidung des Arbeitgebers ab. Außerdem hat die Regelung Auswirkungen auf die durch Art. 12 GG geschützte Freiheit der beruflichen Tätigkeit; sogar der Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisses ist geringer.

Die Benachteiligung hält zwar aus den bereits im Senatsbeschluß vom 17. 10. 1989 (1 ABR 80/88 - BAG 63, 162 = AP Nr. 29 zu § 111 BetrVG 1972) im einzelnen dargelegten Gründen einer Überprüfung am allgemeinen Gleichheitssatz stand, soweit es sich um den Betrieb eines Kleinunternehmens handelt. Der die Beschränkung der Mitbestimmung tragende Gesichtspunkt des Schutzes von typischerweise weniger belastungsfähigen Kleinunternehmen trifft jedoch nicht mehr zu, wenn Träger des Kleinbetriebes ein größeres Unternehmen ist, dessen Beschäftigtenzahl die typisierend festgelegte Grenze von 20 Arbeitnehmern übersteigt. Die wirtschaftliche Belastungsfähigkeit ist nicht von der organisatorischen Abgrenzung der Einheiten abhängig, innerhalb derer der Arbeitgeber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt. Die Arbeitsorganisation des Unternehmens unterliegt der freien Entscheidung des Unternehmers und ist von diesem beliebig steuerbar.

Die Fragwürdigkeit einer betriebsbezogenen Grenze in Großunternehmen wird besonders deutlich, wenn dem Unternehmen sowohl Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern als auch Kleinbetriebe angehören. Bei strenger Differenzierung nach der jeweiligen Betriebsgröße würde das bei einer Stillegung sämtlicher Betriebe aufgrund einer einheitlichen Unternehmerentscheidung dazu führen, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nur hinsichtlich der größeren Betriebe bestünde. Die dort beschäftigten Arbeitnehmer würden also durch Interessenausgleich und Sozialplan geschützt, während die Arbeitnehmer der gleichfalls stillgelegten Kleinbetriebe diesen Schutz nicht hätten. Übertragen auf den Streitfall: Hätte die Bekl. sich entschieden, ihre unternehmerische Tätigkeit überhaupt einzustellen, wäre zwar für den Innendienst in Frankfurt ein Interessenausgleich und ein Sozialplan fällig gewesen, nicht hingegen für die Außendienstmitarbeiter in den Vertriebsbereichen, also den der Zahl nach größeren Anteil.

ANSPRECHPARTNERIN

Christine Rosenthal
Juristin (Rechtsassessorin)
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